Kernspaltung

Der Begriff Kernspaltung beschreibt die Zerteilung eines Atomkerns durch eine spontane (= ohne äußeres Einwirken ablaufende) oder eine induzierte (= herbeigeführte) Kernreaktion.

Vier-Phasen-Modell der induzierten Kernspaltung

Als Beispiel wird das in Kernreaktoren verwendete Uran-235-Isotop betrachtet:

  1. Ein Uran-Kern fängt ein Neutron ein. Uran-235 kann allerdings nur Neutronen geringer Energie (und damit geringer Geschwindigkeit) effektiv einfangen. Diese Neutronen werden als thermische Neutronen bezeichnet.
  2. Das Neutron wird in den Kern „eingebaut“, der nun dem Isotop Uran-236 entspricht. Dieser Kern ist allerdings höchst instabil.
  3. Die Kernbausteine des Uran-236-Kerns ordnen sich neu an, indem sie sich in zwei Bereichen zunehmend konzentrieren.
  4. Diese beiden Bereiche trennen sich: Es entstehen zwei Tochterkerne, die als Spaltprodukte bezeichnet werden. Dabei werden Neutronen, die nicht mehr in die beiden Tochterkerne eingebaut werden können, freigesetzt. Diese Neutronen, 2-3 an der Zahl, besitzen hohe Energie, sind schnell und werden daher als schnelle Neutronen bezeichnet.
4-Phasenmodell der Kernspaltung von Uran-235

Dabei wird eine Vielfalt von Spaltprodukten freigesetzt, etwa radioaktive Iod-, Caesium- oder Strontium-Isotope.

Unkontrollierte Kernspaltungs-Kettenreaktion

Will man die in Atomkernen gespeicherte Energie durch den Prozess der Kernspaltung freisetzen, muss man eine Kettenreaktion in Gang bringen. Der erste Weg ist eine unkontrollierte Kettenreaktion, bei der die freigesetzten Neutronen möglichst vollständig neue Kerne spalten. Eine Kernspaltung induziert 3 weitere Kernspaltungen, die wiederum 3 neue Kernspaltungen hervorrufen, die dann 9, 27, 81, 243, 729 usw. Kernspaltungen hervorbringen. Schon nach 20 „Generationen“ von Kernspaltungen werden nahezu 3,5 Milliarden Kerne gespalten! Dieser Prozess ist, einmal angestoßen, nicht mehr kontrollierbar – daher die Bezeichnung unkontrollierte Kettenreaktion.

Unkontrollierte Kernspaltungskettenreaktion

Dieser Vorgang wird in nuklearen Sprengsätzen (= Atombomben) genutzt, er wird auch als thermonukleare Explosion bezeichnet. Dazu wird hochangereicherter Kernbrennstoff – bestimmte Uran- oder Plutoniumisotope – aus einzelnen Blöcken mit einer chemischen Explosion zusammengeschossen. Der Kernbrennstoff ist nun in einer kritischen Masse und Form vorhanden: Spontan freigesetzte Neutronen aus spontanen Zerfällen können den Lawineneffekt auslösen. Die Menge und Kompaktheit des Kernbrennstoffs sorgt dafür, dass eine hohe Zahl der bei den einzelnen Spaltprozessen freigesetzten Neutronen neue Spaltungen induzieren.

Kontrollierte Kernspaltungs-Kettenreaktion

Die sogenannte friedliche Nutzung der Kernenergie setzt voraus, dass die Kettenreaktion kontrollierbar bleibt. Die bei den Kernspaltungen freigesetzte Wärmeenergie wird benutzt, um in Kernkraftwerken elektrischen Strom zu erzeugen. Die Kernspaltungs-Kettenreaktion findet in diesen Kernkraftwerken statt, genauer in den sogenannten Kernreaktoren. Im stabilen Betrieb wird der Kernreaktor so eingestellt, dass pro Kernspaltung genau eine nachfolgende Spaltung induziert wird. Mit anderen Worten: Im Durchschnitt wird genau 1 Neutron aus einer Kernspaltung genutzt, um die Kettenreaktion zu erhalten.

Kontrollierte Kernspaltungskettenreaktion

Aufgabe passiver und aktiver Sicherheitssysteme bei Kernreaktoren ist es, die Rate der Kernspaltungen zu kontrollieren und bei Bedarf zu verändern. Der Zustand eines Kernreaktors wird durch die Kritikalität beschrieben. Im Betrieb mit konstanter Energieabgabe ist die Kritikalität gleich 1.